Die Entstehung und Entwicklung des Dorfes Westernbödefeld („Beifelle“)
Die Zeit vor der ersten Erwähnung
Der Ursprung unseres Dorfes könnte in die Zeit fallen, in der Westfalen zum Stammesherzogtum Sachsen gehörte, das sich vom Niederrhein bis zur Unterelbe
erstreckte. Als freie Sachsen ließen sich unsere Vorfahren hier nieder, machten das Land urbar und bestellten es als Eigentümer.
Karl der Große besiegte die Sachsen und gliederte sie und ihr Gebiet in das fränkische Reich ein (Sachsenkriege von 772 bis 804). Mit brutaler Gewalt wurden die sächsischen Heiligtümer zerstört und die Sachsen zum Christentum gezwungen. Mit der Christianisierung entstanden in der Folgezeit Stifte und
Klöster, so auch das Damenstift in Meschede. Vorrangig dienten diese christlichen Gemeinschaften der Versorgung der unverheirateten adeligen Frauen
und Witwen bzw. der männlichen nicht erbberechtigten Nachkommen. Im Gegensatz zu den Klöstern behielten die Stiftsdamen (Nonnen) oder Stiftsherren
(Mönche) ihr Privatvermögen. Sie konnten heiraten, hatten teilweise ihr eigenes Personal und legten auch kein Gelübde ab. Die Stiftsdamen waren häufig gelehrt und verrichteten kunstfertige Handarbeiten.
Der sächsische Adel, den Karl der Große unterstützte, wurde gestärkt und in das neu eingeführte Grafschaftssystem eingebunden.
Eines der einflussreichsten Grafengeschlechte im Herzogtum Sachsen waren die Grafen von Werl (auch Grafen von Westfalen genannt), deren Territorium
um das Jahr 1000 vom Rothaargebirge bis zur Nordsee reichte. Die Grafen waren oft auch als Vögte für die staatliche Verwaltung und den Schutz von
kirchlichen Institutionen zuständig, wohl auch für das Damenstift in Meschede. Es wurde zwischen 804 und 860 gegründet. Sicher ist, dass das Stift eng mit der Familie der Grafen von Werl verbunden war. Sie waren sehr wahrscheinlich die eigentlichen Stifter. Die Äbtissin kam meistens aus dieser Familie, und die Grafen waren bis zu ihrem Aussterben die Erbvögte des Klosters. Durch die Übersiedlung der Grafen von Werl nach Arnsberg entstand im 11. Jahrhundert die Grafschaft Arnsberg.
Naturalwirtschaft und der landwirtschaftliche Großgrundbesitz gewannen entscheidende Bedeutung. Der Hof der adeligen Grundherren mit den abhängigen
Bauern wurde zur autarken Wirtschaftseinheit, in der die Drei felder wirtschaft eine verbesserte Landnutzung und erhöhte Nahrungsmittelproduktion
brachte. Der Grundherr war Leib-, Gerichts- und Schutzherr der Bauern. Freie Bauern begaben sich zunehmend, um dem Heeresdienst zu entgehen, in die Abhängigkeit von Grundherren und wurden damit zu unfreien Hörigen, die Abgaben und Fron-(Herren-) dienste leisten mussten und keine Waffen tragen
durften.
Die Grundherrschaft blieb vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert die Grundordnung der europäischen Gesellschaft. Im fränkischen Reich entstand daneben das Lehenswesen (Feudalordnung), das zur Grundlage der mittelalterlichen Staatsordnung wurde. Die zum Kriegs- und Verwaltungsdienst verpflichteten Freien erhielten vom König als Lohn für ihre Dienste Land mit den darauf ansässigen Bauern geliehen (Lehen, Feudum). Lehnsherr und Lehnsmann verpflichteten sich zu gegenseitiger Treue und Gefolgschaft. Auch die Großen des Adels (Kronvasallen) erhielten ihre Ämter (Herzogtümer, Grafschaften) vom König zu Lehen und vergaben diese weiter an Untervasallen (den niedrigen Adel). Im Laufe der Zeit wurden die Lehen erblich und gingen in den Besitz der Familien über. Damit wurde die Abhängigkeit vom König gelöst, und Herzogtümer und Grafschaften wurden selbstständige Herrschaften.
Nach dem Sturz Heinrichs des Löwen durch Kaiser Friedrich Barbarossa wurde das Stammesherzogtum Sachsen 1180 geteilt.
Herzogtum Sachsen mit Westfalen, Engern und Ostfalen
Der westfälische Teil wurde als Herzogtum Westfalen dem Kurfürsten und Erzbischof von Köln zugesprochen.
Das kurkölnische Herzogtum Westfalen
Bis ins 14. Jahrhundert bestand das Herzogtum Westfalen aus verstreuten Besitztümern, insbesondere im Norden, im Osten sowie im Südwesten. Ein großer
Schritt war der Erwerb der Grafschaft Arnsberg im Jahr 1368, als Graf Gottfried IV. von Arnsberg seine Grafschaft an Köln verkaufte. Das Gebiet der Grafschaft rundete das Territorium des kölnischen Herzogtums Westfalen im Sauerland ab und wurde zu dessen Zentrum. Die Stadt Arnsberg wurde Sitz der Vertreter des Kurfürsten als Landesherrn, (Neben-)Residenz des Kurfürsten und Tagungsort des Landtags für das Herzogtum.
Seitdem ist unsere Region nicht mehr „arnsbergisch“, sondern „kurkölnisch“. Obwohl Graf Gottfried IV. seine Grafschaft an Köln verkaufte, erfolgte 1368
eine eigentliche Eingliederung in das Erzstift Köln nicht. Es gab vielmehr eine Art Personalunion zwischen dem rheinischen Erzbistum und dem westfälischen
Herzogtum. Für die Bewohner der verkauften Grafschaft änderte sich äußerlich nicht viel. Die Stelle des Grafen nahm nun ein Vertreter des Kurfürsten, der Marschall, später Landdroste genannt, ein. An die Stelle der Beamten des Grafen traten die kurfürstlichen Räte. Im Land übten jetzt kurfürstliche Richter ihr Amt aus, soweit nicht die in Kraft bleibenden Rechte der Städte und Freiheiten von diesen mehr oder weniger in eigener Regie wahrgenommen wurden. Die bisherige landständische Verfassung blieb. Sie schrieb unter anderem die Beteiligung des Domkapitels und der übrigen Landstände an zentralen politischen
Entscheidungen, wie z. B. die Erklärung von Kriegen, fest. Der aus Adel, Städten und Freiheiten besetzte Landtag übte weiter sein Recht bei der Bewilligung
der Schatzungen (Landes steuern) aus. Auch kirchlich hatte sich nichts geändert. Denn unser Gebiet hatte bereits seit langem zur Erzdiözese Köln gehört. Das Patronat über Kirchen und das Recht zur Ernennung der Pfarrer ging auf den Erzbischof über. Jedoch musste die ehemalige Grafschaft Arnsberg von jetzt an damit rechnen, dass sie in die vom Kurfürsten oft betriebene „große“ Politik einbezogen wurde.
Die Zugehörigkeit unserer Region zu Kurköln endete erst nach ca. 400 Jahren mit der Säkularisation im Jahre 1803, als die geistlichen Landesherrschaften
aufgehoben wurden. Das Gebiet fiel zunächst an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Dreizehn Jahre später wurde das kurkölnische Sauerland in die preußische Provinz Westfalen eingegliedert. Die Residenzstadt Arnsberg behielt den Sitz für einen Regierungspräsidenten und konnte so in veränderter Form ihre Hauptstadtfunktion bewahren. Seit 1821 gehörte das Sauerland auch nicht mehr zum Erzbistum Köln, sondern zum Bistum Paderborn. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehören wir dem Land Nordrhein-Westfalen an. Im Jahr 1949 bildete sich dann aus den westlichen deutschen Ländern die Bundesrepublik Deutschland.
Die erste Erwähnung des Dorfes
Die Besiedlungsgeschichte der umliegenden Ortschaften von Westernbödefeld im 9. und 10. Jahrhundert und die hohe Anzahl der Höfe (10) bei der ersten Erwähnung des Ortes lassen darauf schließen, dass Westernbödefeld eine uralte Siedlung ist.
Eine mündliche Überlieferung sagt, dass es schon zwei Höfe im 10. Jahrhundert in Westernbödefeld gab, den Hof Kreygenberghe und den Schryvers Hof. Beide Höfe sollen Freigüter gewesen sein. Der Hof Kreygenberghe soll auf dem Krehenberg hinter dem jetzigen Haus Schlicher zum Totenweg gelegen haben. Der Schryvers Hof soll links von der Straße in Richtung Frielinghausen, ungefähr gegenüber der heutigen Salzhalle, gestanden haben.
So wird im Landbuch des Landes Bilstein-Fredeburg (um 1460) die Grenze eines Freibanns beschrieben: „… von Mönekind durch Einhaus bis Bonacker, von dort zur Linde bei Westernbödefeld, dann durch des Schrivers Haus die Langenbecke (Lermecke bei Bödefeld) hinauf bis zur Linde bei Landenbecke (Landenbecker Hof, heutige Bödefelder Flur Schlot), …“.
Der Hof wurde im Jahr 1491 an Dyderich von Meschede verkauft. Später erwarb ihn die Kirche Cosmas und Damian.
Iura et pertinentie curtis in Drasemecke in parrochia Remelinchusen anno Domini millessimo trecentesimo decimo quarto dicte curti consignata, ... ,
Übersetzt: “Die Rechte und Besitztümerdes Hofes Drasenbeck im Kirchspiel Remblinghausen wie sie dem vorgenannten Hof im Jahre des Herrn 1314 (urkundlich) bescheinigt wurden.”
In einem Güterverzeichnis des Stiftes Meschede aus dem Jahre 1314 finden wir die erste schriftliche Erwähnung des Ortes Westernbödefeld:
„...Item tho Westeren Bodeuelde in deme Kerspell Bodeuelde gelegen eyne hove landes, ist berechtiget mit dryfft, in water, in weyde, ock mit der Marcke, ist tentfry liedich und loos, gevet neymants noch gelt noch anders, dan allene deme hove tho Dramecke, als tein Scheppell haveren, twe honer, und twintich Egger…“
Sehr wahrscheinlich ist in diesem Güterverzeichnis der Drostenhof gemeint.
In einem zweiten Güterverzeichnis des Stiftes Meschede, welches Johann Suibert Seibertz in seinem Buch „Quellen der westfälischen Geschichte 1857“
ebenfalls auf das Jahr 1314 datiert, werden neun weitere Höfe in Westernbödefeld benannt, die dem Haupthof Köttinghausen abgabepflichtig waren. (Die Jahreszahl 1314 wird von Manfred Wolf „Mescheder Geschichte, Band 1, 2007“ jedoch angezweifelt. Er vermutet die Entstehung des Güterverzeichnisses
um das Jahr 1400)
Der Drostenhof gehörte, im Gegensatz zu den neun anderen Höfen, zum Haupthof Drasenbeck und nicht zum Haupthof Köttinghausen. Aber beide Haupthöfe gehörten zum Stift Meschede.
Vermutlich ist Westernbödefeld bzw. sind Teile des Ortes schon vor dem Jahr 1310 in die Abhängigkeit des Mescheder Damenstifts gekommen. Namentlicher Beleg hierfür mag der Nonnenberg sein, an dem möglicherweise Ländereien lagen, die diesem Damenstift in Meschede gehörten. Das Stift gelangte seit seiner Gründung infolge von Schenkungen zu weitreichender Bedeutung. Das Vermögen bestand überwiegend aus einem ausgedehnten Besitz an Grund und Boden.
Allerdings war der Gesamtbesitz räumlich über eine Vielzahl von Ortschaften weit verstreut, so dass das Stift - auf gleiche Art und Weise wie die anderen Grundherren der Zeit - seinen Besitz über Fronhöfe (curtes) verwaltete.
Den Verwaltungsbezirken des Stifts mit je einem Fronhof waren 400 Unterhöfe (Hufen) zugeordnet. Der Verwalter des Fronhofs hatte die Aufgabe, die Pacht der Unterhöfe, den Zehnten, einzutreiben und beim Stift abzuliefern. Nach ungefähr 450 Jahren ließ der Kölner Erzbischof Heinrich II. im Jahre 1310 das Damenstift auflösen und wandelte es in ein männliches Kanonikerstift um. Das könnte ein Grund für die Entstehung der Güterverzeichnisse des Stiftes Meschede sein. Für die Westernbödefelder Bauern änderte sich nichts. Die Zugehörigkeit zum Stift blieb.
Die Belastungen der Höfe
Wie schon zur Zeit der Arnsberger Grafen gab es auch im kurfürstlichen Herzogtum Westfalen zahlreiche Aus ein andersetzungen mit den Nachbarländern.
Kriege und Religionswirren waren die Folge der Reformation. Daraus ergab sich, dass die Steuern der Landbewohner ständig stiegen. Auskunft über die Belastungen früherer Zeiten geben die Schatzungsregister. Im Jahre 1543 wurde ein umfangreiches Schatzungsregister für das gesamte Herzogtum Westfalen erstellt. Die Geldentwertung hatte die Bede, die mittelalterliche Grundsteuer, so wenig einträglich gemacht, dass der Landesherr in besonderen Notfällen Sondersteuern erheben musste. Diese Kopf-Schatzungen sollten zunächst nur einmalige Erhebungen und nicht das Recht auf eine dauernde Abgabe sein. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden sie jedoch immer häufiger und schließlich zu einer regelmäßig wiederkehrenden Steuer. So bildeten die Schatzungen die Haupteinnahmequelle der Landesherren. Jedoch unterlagen nicht nur die Grundbesitzer der Steuerpflicht, sondern auch alle vollwertigen Hilfskräfte, also Brüder und Knechte des Besitzers, in besonderen Fällen auch die Schwestern. Aber diese zahlten nur geringe Beträge. Im Jahr 1536 sind für Westernbödefeld elf Veranlagte mit den Beträgen von einem Goldgulden verzeichnet. Das könnten die elf Einsassen einschließlich des Drosten sein.
Für 2 Goldgulden (gg) bekam man damals ein Rind. 1 Goldgulden entsprach ca. 20 Schilling (ß); 1 ort oder 1 orth entsprach ¼ Gulden. Aus heutiger Sicht mögen die Abgaben unbedeutend gewesen sein, für die damalige Zeit waren es erdrückende Lasten.
1536 | 1543 | 1563 | 1764 |
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Hannß Droste | Hanß Drost | Gerdt Drosten | Scheffe Hovelmann, Witman |
Jacob Mertens | Tilman Schröder | Jacob Mertins | Droste |
Heinrich Bannfast | Jacob Mertins | Heinemanns Hans | Petersman |
Hoeuelmanß Hanß | Henrich Banfast | Claes vff dem Kampe | Cordes |
Claiß vff dem Kampe | Hilleken Hanß | Jacob yvff dem Kampe | Plebs |
Peter vff dem Kampe | Houelmanß Hanß | Johan vff dem Kampe | Beckers |
Hoeuelmans Herman | Claes vf dem Kampe | Johan Plaes | Hermes |
Wilhelm Gerwinß | Hanß Plops | Reckerdes Henrich | Schmid, halber Kotter |
Johan vff dem Kampe | Richart Henniche | Reckerdt Scheper | Alexander Meers |
Hannß Plebß | Heineman Scheiper | Tilman Schroder | Crusen |
Reckardeß Heinrich | Peter vf dem Kampe | Johan Banfast | Flemmecken |
Henneken Schepper | Houelmanß Herman | Gosman (Bogman?, Corsman?) |
Zand Schnitzeler |
Bollecken Hannß | Wilhelm Gerwins | Peter vff dem Kampe | Rickers |
Hanß Schepper | Johann vfm Kampe | Thonnis Gerwins | Mathias Knipschild, Schnitzeler |
Geese Wittwe | Hesse, wust et pauper (der Hof wüst und arm) | Clegger | |
Willmer | |||
Dorf-Schäffer |
Die ältesten Schatzungsregister zeigen deutlich, dass bei Festlegung des Steuersatzes die Größe des Grundbesitzes, die Vermögenslage und die Belastung mit anderen regelmäßigen Abgaben berücksichtigt wurde.
Die Herren von Meschede, die späterenSchutzvögte des Mescheder Stifts, erhielten spätestens erstmals im Jahr 1416 das Köttinghauser Lehen und die dazu gehörenden Hufe. Die genaueren Umstände, die zu dieser Belehnung führten, sind nicht klar. Es ist aber möglich, dass im Zuge der erwähnten Umwandlung des adeligen Mescheder Nonnenstifts in das männliche Stifts, auch eine Umverteilung der Lehnsgüter an neue Lehnsempfänger stattgefunden hat. Die Herren von Meschede sahen sich wohl nicht nur als Verwalter des Stifts, sondern auch als Grundherren der Güter.
Aber wer bekam die jährlichen Abgaben? – Die kurfürstliche Regierung in Arnsberg erhielt über den Vogt zu Brabecke die Landessteuer. Dem Stift in Meschede standen als Erinnerung an die frühere Abhängigkeit immer noch einige Abgaben der Westernbödefelder zu. Gegenüber den Forderungen der Herren von Meschede waren die des Stifts aber eher milde Bezahlungen. Die Herren von Meschede erhöhten willkürlich die Abgaben und verlangten nicht nur eine Art Grundsteuer, sondern auch Abgaben in Naturalien und Frondienste wie Pferdefuhren und Botengänge, Hilfe bei Jagd und Fischerei, drei Tage Mähen und einiges mehr. Sie formten regelrecht die Abgaben in eine Leibeigenschaft um. Es waren aber der Abgaben immer noch nicht genug. Da waren nämlich auch die kirchlichen Abgaben:
a) dem Pastor: einen Scheffel Messhafer, ein Huhn, drei Eier, einen Käse, zwei Brote, ferner einen halben Groschen „Proffegeld“ und einen halben Groschen Kapellengeld. Weiterhin eine Pause Pflügen;
b) dem Küster: ein Spint Roggen, vier Eier, einen Käse, eine Hast vom Schwein;
c) den Provisoren (Kirchenvorstehern): einen Liebfrauenkäse oder an dessen Stelle einen Groschen.
Wie sich die Anzahl und die Besitzverhältnisse der Westernbödefelder Hufen immer wieder veränderten, zeigen die Güterverzeichnisse der Herren zu Meschede. Im Jahr 1466 werden die Höfe gelistet, welche der verstorbene Godert von Meschede seinen Söhnen in Westernbödefeld hinterlassen hat: „Ebenso das ganze Dorf zu Westernbödefeld, ausgenommen zwei Höfe, der eine den Kindern des Groten Schrivers gehörig, der andere dem Schulte zu Drasenbeck“ (Drostenhof?).
1466 |
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Kreyenbergh |
de Grote |
de Moller |
Cort |
Rottger |
Hencke Weyes |
de Hans |
de Mollner |
Olrich |
Tyleman |
Der Dreißigjährige Krieg und die Folgen
Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hatte für Westernbödefeld verhängnisvolle Auswirkungen. Höfe wurden vernichtet. Dorfbewohner wurden vertrieben oder starben an der Pest. Die Ländereien der Bauern verwilderten und wurden wüst. Von auswärts her kamen andere Leute, denen Höfe verliehen wurden. Ob die Grenzen der früheren Höfe eingehalten wurden, ist fraglich, weil man oft nicht wusste, wem welche Grundstücke und zu welchem Hof sie gehörten. Klarheit darüber brachte ein Protokoll aus dem Almischen Lagerbuch. Am 27. November 1669 luden die Herren von Meschede alle Einsassen von Westernbödefeld nach Brabecke und ließen zu Protokoll erklären, welche Grundstücke sie bebauten und welche Abgaben sie zu leisten hätten. Vorgeladen waren nur die zum Haupthof Köttinghausen geschriebenen Hofinhaber. Das Protokoll gibt die Aussagen folgender Einsassen wieder:
1669 |
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Jost Hovelmann |
Henrich Kruse |
Henrich Martins |
Henrich Flemmeke |
Jost Rickers (heute Riekes) |
Jacob Peters |
Henrich Cordes, (Besitzer Klauke, heute Cors) |
Hans Wilmes |
Hans Becker |
Klagges auf dem Kampe |
Plebs |
Henrich Hermanns (heute Hermes) |
Das Protokoll gibt auch Auskunft über die Herkunft der neuen Einsassen. Jost Rickers war mit seinen Eltern nach Westernbödefeld gezogen, wo sie einen
wüst gewordenen Hof übernommen hätten. Hans Becker war aus Ramsbeck gekommen. Der Inhaber des Plebs-Hofes war erst im Jahr 1668 hierher gezogen, auch sein Hof habe wüst gelegen. Selbst kein Gebäude habe mehr dort gestanden und er wohne deshalb noch in einem Haus auf dem Sande (Sands Haus). Der Hovelman, mit Schreibnamen Volmer, war aus Altenilpe gekommen. Auch Klagges war lange nicht auf seinem Hof. Er hatte viele Jahre im Krieg gedient. Welche Verwüstungen in den Dörfern und auch im Rechtsleben hatte doch der Dreißigjährige Krieg hinterlassen.
Auch wenn sich die Schreibweise der Hofnamen häufig änderte, lassen sich mühelos die ältesten Hofnamen herauslesen: Droste, Riekes, Mehrs (Mertens),
Klagges, Hülmes (Hovelmann), Plebs und Peits. Der Familienname der Höfe wechselte oft durch Einheirat, Erbfolge oder Verkauf, aber die Hausnamen sind
heute immer noch bekannt. Einige Familien kamen nach Westernbödefeld, andere verließen das Dorf. So z.B. unterzeichnete Mathias Knipschild aus
Westernbödefeld am 18. Dezember 1780 einen „Mietvertrag“ mit Anton Niggemann aus Dornheim, dass er zwölf Jahre den Speicher zur Wohnstätte
annahm.
Der 27. November 1669 hatte eine weitere bittere Folge. Die Grundherren von Meschede folgten dem Zuge der Zeit und machten die früher nur abgabepflichtigen (hörigen) Hofinhaber einfach zu Leibeigenen. (Freie Bauern hatten eigenen Besitz an den Ländereien, konnten Waffen tragen und zum
Kriegsdienst eingezogen werden, halbfreie Bauern [Hörige] bewirtschafteten selbstständig einen Hof und mussten je nach Hofgröße Abgaben leisten; Leibeigene kamen einem Sklaven sehr nahe, durften jedoch nicht gehandelt werden.) Einige Westernbödefelder wehrten sich und beriefen sich auf die früher
vom Stift Meschede beurkundete persönliche Freiheit der Bewohner. Obwohl der Drosten-Hof immer noch dem Fronhof Drasenbeck zugeschrieben
war, versuchten die Herren von Meschede selbst diesen Hof zu übernehmen, wogegen sich der Droste heftig wehrte. Deswegen wurde er zur Strafe an den „Schüttelpott beim Vogt“ (Pranger) in Brabecke gebunden.
Die Leibeigenschaft milderte sich im 18. Jahrhundert und wurde im Jahre 1808 in Westfalen abgeschafft. Damit waren die Westernbödefelder Bauern
wieder abgabepflichtige (hörige) Bauern. Es wurden weitere Reformen eingeleitet. Grundlage war das Edikt des Freiherrn vom Stein vom 09.10.1807,
das dazu führte, dass die Bauern der inzwischen preußischen Provinz Westfalen ab 1825 ihre Höfe in Erbpacht bewirtschaften konnten und damit zu Eigentümern wurden. Die Grundherren erhielten dafür eine Entschädigung. Diese Bauernbefreiung zog sich über einen langen Zeitraum hin.
Die Linde von Westernbödefeld
Freigericht (Femelinde)
Die im Oberdorf von Westernbödefeld gelegene Straße „Zur Linde“ erinnert noch heute an die im Volksmund nach wie vor präsente Überlieferung an ein
einstmals dort tagendes Gericht. Dabei handelte es sich um ein sog. Freigericht, das bezeichnenderweise unter freiem Himmel unter einem Baum tagte. Typische Gerichtsbäume waren Linden und Eichen.
Freigerichte lagen innerhalb einer Freigrafschaft. Diese wiederum gingen im Mittelalter aus den ursprünglich karolingischen Grafschaften hervor. Freigerichte
lassen sich vor allem in Westfalen nachweisen. Sie bestanden dort neben anderen Gerichtsformen bis ins 18. Jahrhundert hinein.
Zu jeder westfälischen Freigrafschaft gehörten mehrere solcher Gerichtsstätten unter freiem Himmel, die auch (Gerichts-)„Stühle“ genannt wurden.
Die Inhaber der Gerichtsstätten (Stuhlherren) waren ursprünglich vom König eingesetzte Adelige. Oberster Stuhlherr war ab 1422 der Kurfürst und Erzbischof
von Köln. Einen Oberfreistuhl gab es in Arnsberg, der auch als Berufungsinstanz für die anderen Freigerichte galt. Die Stuhlherren vererbten oder verkauften ihre Privilegien, die mit dem Freigericht verbunden waren, wie Macht und Einkünfte durch Strafgelder. In Westfalen zählte man ca. 400 Frei-stühle. Man unterschied die hohe Gerichtsbarkeit und die niedere Gerichtsbarkeit. Die hohe Gerichtsbarkeit unterstand dem Grafen und befand über schwere Straftaten, wie heimtückischen Mord, Herstellung von Falschgeld, Hochverrat, Hexerei, Gotteslästerung, Ehebruch etc. Die Grundherren setzten ihre Freigerichte in der niederen Gerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten, Körperverletzungen, Beleidigungen und Eigentumsdelikte ein.
Insbesondere in Westfalen bildeten Freigerichte und „Feme“ bzw. Femegerichte nahezu ein Begriffspaar. Das wohl aus dem Niederdeutschen stammende
und seit dem 13. Jahrhundert nachweisbare Wort umschrieb den „Bund der zum gleichen Gericht gehörenden Freien“, wurde aber auch als Bezeichnung für den Landfrieden verwendet.
Besonders bedeutsam und berüchtigt waren Feme bzw. Femegerichte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Das Femegericht bestand aus dem Freigrafen und mindestens sieben ehrbaren freien Bürgern (Freischöffen oder Wissende). Einige Freigrafen sahen den Königsbann als Ermächtigung an, um die Rechtspflege weit über die Grenzen des Gerichtssprengels auszudehnen. Indem die Freigerichte infolge königlicher Bannleihe die Kompetenz zur Aburteilung schwerer Verbrechen beanspruchten, erweiterten sie die ursprünglich nur vorhandene Zivilgerichtsbarkeit zur Strafgerichtsbarkeit über das ganze
Reich. (Mitteis, Heinrich – Lieberich, Heinz: Deutsche Rechtsgeschichte. Ein Studienbuch, 1978, S. 202) So gingen femegerichtliche Vorladungen bis nach
Böhmen und Österreich, in die Schweiz oder nach Ostpreußen.
Für die schweren Rechtsbrüche wurde das Gericht zu gegebenen Anlässen aufgeboten („gebotenes Ding“) und fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit
statt. Bei diesem „heimlichen oder Stillgericht“ gab es oft nur eine Strafe: den Tod durch den Strang. War der Verurteilte anwesend, wurde das Urteil sofort
vollstreckt. Nicht anwesende (nicht „dingfest“ gemachte) Verurteilte mussten ohne Mitteilung des Gerichts mit der Vollstreckung rechnen.
Der Niedergang dieser ausufernden Femegerichte setzte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein. Reich, Landes- und Territorialherren richteten konkurrierende Gerichte ein, die die Zuständigkeit und Reichweite der Freibzw. Femegerichtsbarkeit allmählich beschränkten und sich letztlich durchsetzten.
Auch im Herzogtum Westfalen lassen sich zunehmend kurfürstliche, Vogtei- und Patrimonialgerichtsbarkeit nachweisen, ganz zu schweigen von der alten städtischen Magistratsgerichtsbarkeit, die ja auch für die Freiheit Bödefeld nachgewiesen ist.
Delikte, zumal solche kapitaler Art, die von den Beteiligten eingehende Rechtskenntnis oder anwaltliche Vertretung erforderten, wurden vor dem kurfürstlichen
Offizialatgericht in Werl entschieden.
Dort richtete man nach römischem Recht, das sich zu dieser Zeit längst durchgesetzt hatte. Feme- bzw. Freigerichte waren hingegen ein Relikt aus einer Zeit, da man nach germanischem Recht urteilte und in der alle erwachsenen Männer bei Strafe zu einem angesetzten Gerichtstermin zu erscheinen hatten, um gemeinsam Recht zu finden.
In Westfalen allerdings bestanden Femegerichte bis ins 18. Jahrhundert hinein fort, jedoch lokal und auf Bagatellgerichtsbarkeit beschränkt. Das mag auch den Aufgabenbereich des Westernbödefelder Freistuhls umschreiben, der sich wohl mit Grundstücksund Grenzstreitigkeitsfragen befasste. Weitere mündliche, insbesondere aber schriftliche Überlieferungen fehlen, so dass nichts über die Entstehungszeit, eventuelle Vorgänger, ja nicht einmal über den genauen Standort der Linde bekannt ist.
In einem erhalten gebliebenen „Landbuch des Freibanns des Landes Bilstein-Fredeburg“ (um 1460) aber sind die Grenzen zum „Nachbarbezirk“ beschrieben,
womit die bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückreichende Existenz der Westernbödefelder Gerichtsstätte belegt ist:
„… von Mönekind durch Einhaus bis Bonacker, von dort zur Linde bei Westernbödefeld, dann durch des Schrivers Haus die Langenbecke (Lermecke bei
Bödefeld) hinauf bis zur Linde bei Landenbecke (Landenbecker Hof, heutige Bödefelder Flur Schlot), dann weiter „to eyme Malstene gelegen up düssw Syd dem Water ( das ist die Valme) vor der Lantwere (Landwehr, Lanfert) to kerkbödefeld by eyne Erle, van dar vor recht over the Lantwere wynto up den Königstein gelegen up jeynsyd der Lantwere“.
Der Gerichtsbezirk umfasste demnach die Orte der späteren Landgemeinde Bödefeld mit Ausnahme der Orte Gellinghausen und Osterwald, welche zum Gericht des Oberamtes Fredeburg in Dorlar gehörten.
Auch übte das Westernbödefelder Freigericht seine Tätigkeit bis ins 18. Jahrhundert hinein aus. So berief am 26. Mai 1707 der Oberfreigraf Johann Honcamp (wohl aus Arnsberg) für den Donnerstag vor Pfingsten, den 9. Juni jenes Jahres, „ein Freiding an gewöhnlicher Dingstätte oberhalb Westernbödefeld unter der Linde“ ein, zu dem die Einwohner der Freiheit und des Gerichts Bödefeld geladen waren.
Ein Protokoll des Bödefelder Magistratgerichts vom 28. Juni 1714 behandelt das Nicht-Erscheinen von Jost Brunsten und Johennekens Stoffel vor dem Freigericht in Westernbödefeld. Jost Brunsten erklärte im Verhör, er sei an dem Gerichtstage kränklich gewesen und habe daher nach dem Bürgermeister geschickt, „aber sieh wehren all nach Böfelle (Westernbödefeld) gewesen ... Ist mit 6 Gr. abgestraffet.“ Johennekens Stoffel bat um geringe Strafe. Er habe nicht an den Gerichtstermin gedacht und sei nach „der Friegett Hagen“ gegangen. Man verwies ihn an den „Brüchtemeister“, dem er 6 Gr. Jura (Gebühren) entrichten musste.
Dieser Termin ist der letzte nachgewiesene des Westernbödefelder Freigerichts. War es auch das letzte, an dem das Volk teilnahm, nicht bloß als Zuhörer, sondern auch als Rechtsfinder, womöglich noch unter einer Linde?